"Nach dem 7. Abstieg werden wir um eine Debatte rund um Änderungen der Finanzstruktur nicht umhin kommen"

Ein Kommentar zum wiederholten Abstieg in die Zweitklassigkeit als Denkanstoss

Die Saison des #effzeh ist vorbei, der 1. FC Köln ist zum siebten Mal abgestiegen, und das übliche Szenario spielt sich ab. Nachdem das letzte Spiel bei mir zunächst Leere, Apathie und auch leise Trauer auslöste, folgten am nächsten Tag Ärger und Wut. In dieser Stimmung wollte ich zunächst einen Kommentar schreiben, merkte aber schnell, dass man mit dem "Messer zwischen den Zähnen" keine wertvollen Erkenntnisse zu Papier bringt, sondern nur Abrechnungen formuliert. Das mag befreiend sein, bringt aber keine neuen Erkenntnisse, die für die Zukunft des Vereins verwertbar sind. Also legte ich diesen sicher hübsch- lesenswerten, aber auch leicht toxischen Text beiseite und überlegte mir, wie man stattdessen einen denkanstoßenden Beitrag leisten kann, um eine mögliche grundlegende Veränderung im Verein anzusprechen. Wer aber dennoch wissen will, wie ich zur aktuellen Situation nach dem Saisonfinale denke, dem empfehle ich den bemerkenswert zu meiner Meinung passenden Kommentar von KSTA-Sportchef Christian Löer:

 

Fakt ist, zumindest meiner Meinung nach: Wir können langfristig so nicht weitermachen. Letztlich leidet dieser Verein immer noch unter den Folgen des ersten Abstiegs im Jahre 1998, diesen Sündenfall haben wir nie überwunden. Mehr als fünf Jahre waren wir seitdem nie in der ersten Liga, zu wenig, um sich vom vormaligen Abstieg zu erholen. Jeder Abstieg kostet enorm viel Substanz und wirft den Verein um Jahre zurück. Man braucht ein ausgezeichnetes Management und eine optimale Führung, um sich mindestens ein Jahrzehnt in der ersten Liga zu halten. Das würde die Chancen erheblich verbessern, anstatt wie Sisyphus immer wieder von vorne anzufangen.

 

In meinen Augen kann es kein ausgezeichnetes Management sein, einen Abstieg in Kauf zu nehmen, um sich finanziell zu sanieren. Es ist eher vereinsgefährdend, so zu agieren. Daher kann man sich vorstellen, wie sehr ich daran zweifle, Christian Keller weiter mit seinen Aufgaben zu betrauen. Allerdings hat auch der ebenfalls überforderte Verwaltungs-Vorstand all dies mitgetragen und sieht es sogar als richtigen Weg für die Zukunft. Auch hier muss mittelfristig eine Änderung her.

Aber weg von der aktuellen Situation, hin zur zentralen Frage: Welchen 1. FC Köln wollen wir in Zukunft haben?

 

Bisher gab es zwei Versionen des 1. FC Köln: Zunächst war da der 1. FC Köln, der sich rein über die Leistung im Fußball definierte, der sportliche Ambitionen hatte und dies als oberste Maxime sah. Man wollte Titel holen und holte diese auch, weil man – für die damalige Zeit – wirtschaftlich klug agierte, ein herausragendes Scouting hatte und das Glück, dass fast jeder Nachwuchsspieler davon träumte, einen Vertrag beim 1. FC Köln zu bekommen. Dass man am Ende sogar mit der Titelausbeute unzufrieden sein muss, zeigt, dass selbst in den besten Tagen des Vereins der kölsche „Küsste hück nicht, küsste morje“-Faktor sich zu sehr ausbreitete.

Dann gab und gibt es bis heute den "2. FC Köln" (so nenne ich ihn mittlerweile leider immer öfter). Das ist der Verein, der sich nach dem ersten Abstieg entwickelte und sich aufgrund der ausbleibenden Erfolge mehr und mehr über den kölschen Kult-Faktor definierte und dies als „Spürbar anders“ verkaufte. Mehr und mehr übernahm der Karneval (und das Marketing dazu) den Club, der sich in seinen erfolgreichen Tagen nur wenig der Stadt selbst hingezogen fühlte. Als wir noch Titel holten, gab es keine Hymne und auch keine Event-Fans. Wenn gegen Waldhof Mannheim gespielt wurde, waren die 8.000 Zuschauer in der alten Betonschüssel Hardcore-FC-Fans, voller FC-Liebe, aber kritisch bis ins Mark. Da wurde gepfiffen, was das Zeug hielt und zur Not am Marathon-Tor protestiert, wenn es so gar nicht beim FC passte. All das kommt beim "2. FC Köln" kaum noch vor, denn Kritik wurde im Laufe der Jahre immer mehr als vereinsschädigend deklariert.

Man könnte das noch weiter ausführen und mit vielen Argumenten untermauern, aber das spare ich mir an dieser Stelle. Es gilt nun, die Frage zu stellen, ob es einen dritten Weg gibt, einen neuen 1. FC Köln zu definieren.

 

Viele ältere Fans werden sich den 1. FC Köln der Jahre 1948 bis etwa 1990 zurückwünschen. Aber diesen Verein werden wir niemals wiederkriegen, denn die Voraussetzungen und die Zeiten haben sich komplett geändert. Persönlichkeiten wie Franz Kremer oder Peter Weiand waren Kinder ihrer Zeit und konnten in dieser Zeit ganz anders agieren. Das heißt nicht, dass man manche Aspekte nicht wieder übernehmen sollte. Beispielsweise die sportlichen Ambitionen und die Offenheit gegenüber der Wirtschaft, die den Verein unterstützt und teilweise trägt.

 

Auch vom "2. FC Köln", also dem jetzigen Verein, würde ich gerne einiges übernehmen. Es ist ja nicht alles schlecht. Ein moderner Verein soll sich auch sozial engagieren. Allerdings soll der Fußball selbst immer die erste Rolle spielen, und zwar mit weitem Abstand. Natürlich soll auch der kölsche Faktor nicht gänzlich verschwinden. Auf die Hymne will ich bspw. nicht verzichten, sie ist Teil der Vereinskultur geworden.

 

Letztlich muss man nach sieben Abstiegen konstatieren, dass wir mit unseren Ansätzen seit Abstieg 1 komplett gescheitert sind und neue Wege brauchen, um den Verein zu führen und zu finanzieren. Es ist klar, dass wir die Diskussion über die Rolle der Mitglieder in der Vereinsführung und die leidige Investorenfrage nicht umgehen können. Früher oder später wird diese Debatte unausweichlich sein.

Um es deutlich zu sagen: Ich war und bin fest davon überzeugt, dass wir niemals Raubtierkapitalisten das Tor zum Geißbockheim öffnen dürfen. Dennoch ist es zumindest diskussionswürdig, ob wir nicht über alternative Finanzierungsmöglichkeiten nachdenken sollten. Natürlich ist der bloße Einsatz von Geld nicht allein entscheidend, denn ohne kompetente Führung wird auch das beste Budget nichts bewirken. Trotzdem muss man feststellen, dass wir in der ersten Liga, dominiert von Werks- und Konzernvereinen, niemals nach ganz oben kommen können, wenn wir unsere langfristige Finanzierungsstrategie nicht überdenken.

 

In Bezug auf die Führung haben wir bereits alles versucht und festellen müssen, das es keinen Messias oder "Mr. Right" gibt, der unsere Probleme durch "Hand auflegen" löst. In den letzten Jahrzehnten hatten wir nahezu jede erdenkliche Art von Führungspersönlichkeiten an den Schalthebeln des Vorstands, der Geschäftsführung und des Managements. Niemand hat es langfristig geschafft, diesen Verein so erfolgreich zu gestalten wie beispielsweise der FC Augsburg, der seit 2011 ununterbrochen in der ersten Liga spielt. Kein Weltmeister (Overath), kein Vizeweltmeister (Schumacher), kein Deutscher Meister (Glowacz, Schumacher, Veh, Heldt, M. Meier), kein Mitglied der Stadtgesellschaft (Ritterbach, Sauren) und auch keine ehemaligen Top-Manager aus der Wirtschaft (Caspers, Spinner, Wolf) oder auch einer der angeblich besten  Manager der Liga (Schmadtke) oder ein Neuansatz (Keller) und „Finanzgenies“ (Horstmann, Wehrle) haben es geschafft, dem Verein eine Ära wie die des FC Augsburg zu bescheren.

An der Kompetenz – ob sportlich oder wirtschaftlich – kann es eigentlich nicht gelegen haben, oder? Nicht immer lag es an den Personen selbst, die sicher sowohl richtige als auch falsche Entscheidungen rund um den FC getroffen haben. Oftmals fanden sie eine zum Teil furchtbare finanzielle Situation vor oder schufen durch Fehlentscheidungen, die immer passieren können, eine finanziell schlechte Lage. Ein wettbewerbsverzerrendes Werks-Füllhorn voller Geld, wie es ein paar Kilometer den Rhein entlang jede Saison seit Jahrzehnten vorhanden ist, fehlt dem FC eben.

 

Ich weiß, dass dies kein beliebtes Thema ist, und auch ich mag es eigentlich nicht, dies anzusprechen. Aber es scheint eine unangenehme Wahrheit zu sein, die vielen bewusst ist, aber nicht ausgesprochen wird, weil wir unseren gemütlichen, kultigen FC behalten wollen. Man muss sich dann jedoch bewusst sein, dass wir genau diesen Verein behalten werden, den wir jetzt haben: sportlich irrelevant, aber unterhaltsam beim Ab- und Wiederaufsteigen.

 

Es wäre daher in meinen Augen sinnvoll, die jährliche Mitgliederversammlung vorzuziehen, um im Sommer als Mitglieder zu debattieren, wie es grundsätzlich mit dem 1. FC Köln weitergehen soll. Es müsste einmal alles auf den Tisch: Vorschläge, Ideen, Konzepte usw. Ich weiß selbst, dass dies undurchführbar klingt, aber man sollte es wagen und versuchen. Ich halte das für noch wichtiger, als kurzfristige Personalentscheidungen zu debattieren.

 

Aber ich denke, dass genau das letztgenannte passieren wird und es immer weiter so geht mit unserem ach so kultigen 2. FC Köln.

 

Oder?